169
Außer der schon seit mehr als hundert Jahren vortrefflich betriebnen
preußischen Post hatten die andern größeren und mittleren deutschen Staaten
eigne Postverwaltungen; in Schleswig-Holstein hatten Preußen und Öster-
reich soeben erst die dänische Verwaltung abgelöst, die sogar bisher in
den deutschen Hansestädten eigne Postanstalten besessen hatte, etwa wie
jetzt die europäischen Kulturstaaten in halbzivilisierten Reichen, in der
Türkei, in Marokko, in China. Daneben aber bestand seit dem 16. Jahr-
hundert die wohllöbliche Thurn und Tarissche Post, die auf Grund alter
Verträge beide Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Koburg-Gotha, Sach-
sen-Meiningen, das Fürstentum Hohenzollern, Reuß älterer und jüngerer
Linie, Schwarzburg-Sondershausen, Lippe usw. umfaßte und mit einem
Netz von über 500 Postanstalten überspannen hatte.
Als nun 1866 die preußischen Truppen das Kurfürstentum Hessen
und Nassau und Frankfurt a. M. besetzt hatten, war man in Berlin
sofort entschlossen, die dortigen Thurn und Tarisschen Posten in preu-
ßische umzuwandeln. Aber nicht allein das: der Geheime Postrat Ste-
phan hatte bereits eine ausführliche Denkschrift ausgearbeitet über die
Übernahme der ganzen Thurn und Tarisschen Post. So kam es, daß
er unmittelbar nach der Besetzung von Frankfurt a. M., wo sich deren
Hauptverwaltungssitz befand, nach dort gesandt wurde, um die Absichten
der preußischen Regierung zu verwirklichen. In überraschend schneller,
geschickter, tatkräftiger Weise führte er diesen Auftrag aus, und zwar —
ohne Gewaltmaßregeln; er wußte die alten Herren von der Thurn und
Tarisschen Verwaltung fast sofort zu überzeugen, daß sie am besten und
klügsten täten, sich dem Willen Preußens zu fügen, und er !wußte nachher
auch die schwierigen Verhandlungen mit dem fürstlichen Hause Thurn
und Taris zu dem erfreulichen Abschluß zu bringen, daß es Preußen alle
seine Rechte gegen eine einmalige Entschädigung von drei Millionen Taler
abtrat. Am 1. Juli 1867 hörte die Thurn und Tarissche Post auf zusein.
Tie geschickte Lösung dieser Aufgabe hatte die Aufmerksamkeit Bis-
marcks auf Stephan gelenkt; als daher im April 1870 der bisherige preußi-
sche Generalpostmeister des Norddeutschen Bundes v. Philipsborn seinen
Abschied nahm, schlug Bismarck selbst dem König als dessen Nachfolger
Heinrich Stephan vor. So wurde Heinrich Stephan am 26. April 1870
an die Spitze der gesamten Postverwaltung des Norddeutschen Bundes
berufen.
Iii.
Seine erste Tat war die Einführung der Postkarte oder, wie sie
damals noch hieß, der Korrespondenzkarte. Sie ist auch seine eigenste
Erfindung. Mit Unrecht hat man versucht, einen österreichischen Professor,
namens Hermann, zu ihrem Erfinder zu stempeln. Dieser hat nur 1869
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Extrahierte Personennamen: Stephan Bismarck Heinrich_Stephan Heinrich Heinrich_Stephan Heinrich Hermann
Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Türkei Marokko China Hessen Sachsen-Weimar Sachsen-Koburg-Gotha Schwarzburg-Sondershausen Hessen Nassau Frankfurt Berlin Frankfurt_a._M.
120« Der preußisch-deutsche Zollverein.
Karl Biedermann.
Nach dem Aufhören der Kontinentalsperre erfolgte ein massenhaftes
Einströmen englischer Waren nach Deutschland. Das dadurch erzeugte
Bedürfnis eines wirksamen Schutzes der nationalen Industrie veranlaßte
die deutschen Fabrikanten, sich mit einem gemeinsamen Gesuch um Her-
stellung eines solchen Schutzes an den Bundestag zu wenden. Dieser
Schritt blieb ohne Erfolg. Inzwischen hatte die preußische Regierung
für ihre Staaten ein gemäßigtes Schutzzollsystem eingeführt (1818).
Dabei ergab es sich als ein großer Übelstand, daß wegen des Abstandes
der westlichen von den östlichen Provinzen zwei verschiedene Zollgebiete
nötig wurden, was natürlich unverhältnismäßige Kosten verursachte.
Die preußische Regierung bot daher alles auf, um durch eine Zolleinigung
mit anderen Staaten diese Lücke auszufüllen. Es gelang ihr, die beiden
Hessen dafür zu gewinnen (1828 und 1831). Gleichzeitig waren andere,
ähnliche Vereine in der Bildung begriffen, ein süddeutscher zwischen
Bayern, Württemberg, den beiden Hohenzollern und der „Mitteldeutsche
Handelsoerein" (Sachsen, Hannover, Braunschweig usw.). Endlich trat
1831 der große „preußisch-deutsche Zollverein" ins Leben, der außer
Preußen, den anhaltinischen Ländern und den beiden Hessen auch Sachsen,
Bayern, Württemberg, die thüringischen Staaten in sich schloß, dem
später auch Nassau, Baden, Frankfurt, Luxemburg, Vraunschweig bei-
traten, so daß er im Jahre 1842 ein Gebiet von 8245 Duadratmeilen mit
2872 Millionen Einwohnern umfaßte. Die Zollschranken zwischen diesen
Ländern fielen; alle Erzeugnisse des einen Landes (mit alleiniger Aus-
nahme von Bier und Branntwein, für die eine sogenannte „Übergangs-
abgabe" entrichtet werden mußte) gingen zollfrei nach allen andern
Ländern des Zollvereins. Nach außen bildeten diese verbundenen Länder
ein gemeinsames Zollgebiet. Die von außen in dieses Gebiet eingehenden
Waren wurden da, wo sie eingingen, versteuert und konnten dann frei im
ganzen Zollverein zirkulieren. Die davon erhobenen Zölle flössen in eine
gemeinsame Zollvereinskasse und wurden von dieser aus an die einzelnen
Staaten nach der Vevölkerungszahl verteilt. Damit waren zwei ganz
bedeutende wirtschaftliche Vorteile erreicht: Handelsfreiheit im Innern
und eine einheitliche Handelspolitik nach außen. Der Zollverein war
eine Macht und konnte mit fremden Staaten viel leichter günstige
Handelsverträge abschließen, als dies ein einzelner Staat, selbst Preußen,
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‘¿■¿o
Wenn ein Brief von Berlin nach Neapel ging, so mußte er
das Gebiet der Post von Thurn und Taxis, Baden, die Schweiz,
Lombardo-Venetien (oder Piemont), Toskana und den Kirchenstaat
durchlaufen. In diesen verschiedenen Gebieten war aber das Porto
(Postgebühr), das bezahlt werden mußte, je nach der Länge des
Weges und nicht selten auch nach dem Gewicht des Briefes, ver-
schieden. Es erforderte daher eine mühsame Arbeit, das Porto eines
Briefes zu berechnen, zumal da auch die Münzen und Gewichte
in den verschiedenen Staaten verschieden waren. Am Ende eines
Geschäftsjahres rechneten die verschiedenen Postverwaltungen mit-
einander ab. Für jeden Brief von Berlin nach Neapel z. B. hatte
die preußische Post sowohl an das Haus Thurn und Taxis, als an
Baden, die Schweiz, Lombardo-Venetien (oder Piemont), Toskana
und den Kirchenstaat eine Vergütung zu entrichten.
Die schwierige Berechnung des Portos und der Postanteile
und die gesteigerten Anforderungen, welche der zunehmende Verkehr
an das Postwesen stellte, machten eine engere Verbindung der Post-
verwaltungen durchaus nötig. Aber mehrfache Versuche, eine engere
Verbindung herbeizuführen, scheiterten, namentlich an dem Wider-
stände des Hauses Thurn und Taxis. Erst die politischen Ereignisse
von 1866 hatten eine gedeihliche Neuordnung der Post im Gefolge.
Auf Grund einer vom Geheimen Postrat Heinrich Stephan aus-
gearbeiteten Denkschrift entschloß sich die preußische Regierung
damals, das fürstliche Haus Thurn und Taxis zum Verzicht auf
seine Postgerechtsame zu veranlassen. Heinrich Stephan wurde nach
Frankfurt am Main geschickt, um die Übernahme der alten Post
zu besorgen. Er begann sein Werk damit, daß er kurz entschlossen
Hand auf das Urkundenlager der alten Post legte und dasselbe durch
eine Kompagnie Soldaten besetzen ließ. Die Beamten verpflichteten
sich schriftlich, der neuen Gewalt zu gehorchen und ihre Dienst-
geschäfte pünktlich weiterzuführen, und nach kurzer Zeit stand das
ganze Postgebiet des Hauses Thurn und Taxis unter preußischer
Verwaltung, nämlich die Großherzogtümer Hessen und Sachsen,
die Herzogtümer Koburg-Gotha und Meiningen, die sieben Fürsten-
tümer außer Waldeck und die Hansestädte Hamburg und Lübeck.
Darauf mußte die Abfindungssumme festgestellt werden, die
dem Hause Thurn und Taxis gezahlt werden sollte.
Aber trotz der Schwierigkeiten, die bei der Berechnung ent-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Stephan Heinrich Heinrich_Stephan Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Neapel Baden Toskana Berlin Neapel Haus_Thurn Baden Toskana Portos Frankfurt Main Sachsen Meiningen Hamburg
46
I. Zur allgemeinen Kultur.
Durch die Stürme der Revolution und durch beispiellose Feldherrn-
kraft emporgetragen, wurde der erste Napoleon der Oberherr von
halb Europa. Nichts war ihm dabei sörderlicher als die deutsche
Vielstaaterei. Vorn ersten Tage seines Auftretens an drängte sich
eine große Zahl deutscher Fürsten in seine Vasallenschaft. Als er
Österreich schlug, blieb Preußen untätig; während er Preußen
niederwarf,'sah Österreich gelassen zu. Als er die Höhe seiner Macht
erreicht hatte, war das deutsche Reich vernichtet, gab es kein Deutsch-
land mehr. Statt dessen redete man jetzt von den Staaten des
Rheinbundes unter dem erhabenen Schutze des Kaisers der Fran-
zosen. Napoleon traf die Einrichtungen desselben gemäß den schon
zehn Jahre früher von Talleyrand vorgezeichneten Grundsätzen, so
daß Preußen und Österreich, jenes über die Elbe, dieses über den
Inn nach Osten geschoben wurden und beide von dem neuen Bunde
ausgeschieden blieben. Aus dem übrigen deutschen Boden aber wurde
eine Anzahl Mittelstaaten errichtet, groß genug, um sich im Innern
ein festes Staatsbewußtsein zu erzeugen, aber nicht kräftig genug,
um nach außen sich zu wahrer Selbständigkeit zu erheben — oder
mit anderen Worten, stark genug, um die Zerspaltung Deutsch-
lands, und schwach genug, um die Oberhoheit Frankreichs zu ver-
ewigen. Zu diesen Zwecken wurden im Süden die königlichen
Kronen von Bayern und Württemberg, die großherzoglichen von
Baden, Hessen-Darmstadt usw., im Norden aber die Königreiche
Westfalen und Sachsen, sowie das Großherzogtum Berg geschaffen.
Immerhin aber zeigte sich bei diesen Einrichtungen ein großer
Unterschied zwischen dem Nordeu und dem Süden.
Es waren einheimische Fürsten, welche in Süddeutschland durch
freiwilligen Anschluß an Napoleon zur Macht gelangt waren. Ein
großer Teil ihrer Untertanen war altangestammte Bevölkerung, und
die Einwohner der annektierten Zwergstaaten fanden durch den
Wechsel ihre Lage selten verschlechtert, oft verbessert. Dabei ließ
Napoleon, aus die Zuverlässigkeit seiner Vasallen vertrauend, sie
in ihrer inneren Verwaltung unbelästigt, wenn sie ihm die geforderte
Truppenmacht pünktlich stellten. Ihre Soldaten jochten dann gegen
Preußen und Österreich und breiteten den Stolz auf die Siege
des Unüberwindlichen in weite Kreise der Heimat aus. So kan:
es, daß, wo im Lande Unzufriedenheit über Beamtenwillkür und
Steuerdruck entstand, die Beschwerden darüber sich weniger gegen
Napoleon, als gegen die einheimische Regierung richteten. Im
übrigen lebten Bürger und Bauern in den altgewohnten Sitten
weiter; es entwickelte sich starke Sehnsucht nach liberaler Rechts-
sicherheit, aber sehr wenig Drang aus nationale Befreiung.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon
488
Dichtungen der Gegenwart.
Der Ritter vom Rhein.
Ich weiß einen Helden von selt'nerart,
So stark und so zart, so stark und so zart;
Das ist die Blume der Ritterschaft,
Das ist der erste an Milde und Kraft,
So weit auf des Vaterlands Gauen
Die Sterne vom Himmel schauen.
Er kam zur Welt aus sonnigem Stein
Hoch über dem Rhein, hoch über dem
Rhein:
Und wie er geboren, da jauchzt' überall
Im Lande Trompeten- und Paukenschall,
Da wehten von Burgen und Hügeln
Die Fahnen mit lustigen Flügeln.
In goldener Rüstung geht der Gesell,
Das funkelt so hell, das funkelt so hell;
Und ob auch mancher zum Kamps sich
gestellt,
Weiß keinen, den er nicht endlich gefällt;
Es sanken Fürsten und Pfaffen
Vor seinen feurigen Waffen.
Doch wo es ein Fest zu verherrlichen
gilt.
Wie ist er so mild, wie ist er so mild!
Er naht, und die Augen der Gäste
erglühn,
Und der Sänger greift in dieharfe kühn,
Und selbst die Mädchen im Kreise,
Sie küssen ihn heimlicher Weise.
O komm, du Blume der Ritterschaft,
Voll Milde und Kraft, voll Milde und
Kraft,
Tritt ein in unsern vertraulichen Rund
Und wecke den träumenden Dichtermund,
Und führ uns beim Klange der Lieder
Die Freude vom Himmel hernieder.
(5. v. Geibel.
Rheinsage.
Am Rhein, am grünen Rheine
Da ist so mild die Nacht;
Die Rebenhügel liegen
In goldner Mondenpracht.
Und an den Hügeln wandelt
Ein hoher Schatten her
Mit Schwert und Purpurmantel,
Die Krone von Golde schwer.
Das ist der Karl, der Kaiser,
Der mit gewalt'ger Hand
Vor vielen hundert Jahren
Geherrscht im deutschen Land.
Er ist heraufgestiegen
Zu Aachen aus der Gruft,
Und segnet seine Reben
Und atmet Traubendust.
Bei Rüdesheim, da funkelt
Der Mond ins Wasser hinein.
Und baut eine goldue Brücke
Wohl über den grünen Rhein.
Der Kaiser geht hinüber
Und schreitet langsam fort,
Und segnet längs dem Strome
Die Reben an jedem Ort.
Dann kehrt er heim nach Aachen
Und schläft in seiner Gruft,
Bis ihn im neuen Jahre
Erweckt der Trauben Duft.
Wir aber füllen die Römer,
Und trinken im goldenen Saft
Uns deutsches Heldenfeuer
Und deutsche Heldenkraft. E. v. Geibel.
Bei Hochstedt.
(Schlacht am 13. August 1704).
Marlbrough zieht aus zum Kriege,
Die Fahnen läßt er wehn;
Da reicht zum Kampf und Siege
Die Hand ihm Prinz Eugen.
Sie mustern ihre Truppen
Bei Hochstedt auf dem Plan:
„Gut stehn im Brett die Puppen,
Frisch auf, wir greifen an!"
Und wie sie mit dem Haufen
Dem Feind entgegenziebn,
Da kommt gejagt mit Schnaufen
Ein Hofkurier aus Wien.
Er springt in buntem Staate
Vom Roß und neigt sich lief:
„Vom hohen Kriegshofrate,
Durchlaucht'ger, hier ein Brief!"
Der kleine Kapuziner *)
Schiebt in die Brust ihn sacht:
„Der Herrn ergebner Diener,
Das les' ich nach der Schlacht.
') So ward Prin; Eugen von seinen Soldaten genannt.
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Extrahierte Personennamen: Geibel Karl Karl Geibel August Marlbrough Eugen Eugen Eugen
390
Prosaheft Vil
fragte niemand, ob die preußische, ob die bayrische Grenze gefährdet
fei; man sah nur, daß die deutsche Grenze bedroht war.
Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien, deutschen Rhein!
schallte es von den Usern des Stromes den Welschen entgegen und
hallte wider von allen deutschen Bergen. Und der Rheinländer Karl
Becker war nicht der einzige, der die Gefahr sah. Damals hat auch
der Württemberger Max Schneckenburger die Wacht am Rhein aufge-
rufen, und der Thüringer Karl Wilhelm schrieb zu dem Liede die kraft-
volle Weise, die braust wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und Wogen-
prall. In Nord und Süd, in West und Ost rief man dem bedrohten
Vaterlande zu: „Wir alle wollen Hüter sein." So schnell war es in
das Gewissen der Nation gedrungen, daß die Westgrenze die Grenze des
gesamten Vaterlandes ist.
Mit der französischen war im Jahre 1815 zugleich auch die andere
der beiden großen Fremdmächte vom deutschen Boden ausgeschieden.
Allerdings hat Bernadotte noch daran gedacht, die Rechte eines Königs
von Schweden auf das ihm gegenüberliegende pommersche Ufer geltend
zu machen. Er hat es nicht mehr durchgesetzt.
Einstmals konnte man die Parteien des Regensburger Reichstages
kurzweg als französische und schwedische bezeichnen. Jetzt waren die
Häupter verschwunden, wenn auch noch nicht ganz die Gegensätze, an
deren Spitze sie gestanden hatten.
Unter den Fürsten mit fremden Kronen gelang es, wenigstens einen
von der bitterteuren Zierde zu befreien: der neue König von Sachsen
gab seine alte polnische Königskrone endgültig auf.
Wir haben bereits gesehen, wie die ganze Reihe geistlicher Fürsten,
die einem obersten Herrn außerhalb Deutschlands Grenzen gehorchten,
ans dem Staatsleben ausschieden. Auch mit dem Verschwinden des
reichsritterschastlichen Elementes siel eine Anzahl Familien fort, die seit
Jahrhunderten jenseits der Grenzen ebenfalls Herrschaftsrechte ausgeübt
hatten. Indem sie in den nenorganisierten Staaten hüben wie drüben
ihre Hoheitsrechte verloren, schwand aus allen modernen Staaten und
damit auch ans dem unsrigen dieses halbinternationale Element eines
halbregierenden Adels.
So war, als der deutsche Bund gegründet wurde, das Bundes-
gebiet nur noch an fünf Stellen in Zusammenhang mit dem Aus-
land. Im Westen war Großherzog von Limburg und Luxemburg der
König von Holland, im Norden war Hannover mit England, Schles-
wig-Holstein mit Dänemark in Personalunion, endlich waren die beiden
Großmächte noch immer europäische Staatswesen, die auch außerhalb
des Bundes ganze Königreiche besaßen.
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Extrahierte Personennamen: Karl
Becker Karl Max_Schneckenburger Max Karl_Wilhelm Karl Wilhelm Bernadotte
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Rhein Nord Ost Schweden Sachsen Deutschlands Limburg Luxemburg Holland Hannover England
12
I. Aus der Heimat.
10. Du weiist’s ja wohl, bedeutete Sturm,
mein Bruder?“ — €s hob das bleiche
Gesicht der Berzog auf und sprach:
„Sie wittern wohl eine Leiche.
11. Behalten hab’ ich’s, ich sah sie einst
sich gierig niederlassen,
zu Schleswig war’s, es lagen gehäuft
die Leichen auf den Gassen.
12. Zu Schleswig war’s, meine üochter lief
barfuis durch die Leichenmassen;
die Möwen schrieen ob ihrem Baupt
und folgten ihr durch die Gassen.
13. Und glaubst du’s nicht, Erik von Dänemark,
so ruf’ ich Zeugen, — ihr beiden,
Lauge Gudmunsen und Cbyge Post,
wohlan, ihr mögt entscheiden!“
14. Der Sturm brach los, wild brüllte die Schlei,
flacht zog um den Bimmel, den trüben;
dazwischen gellte das Möwengeschrei, —
die Mannen warteten drüben.
15. Sie warteten lang, bis der üag erschien, —
da stiefs ein Kahn zum Strande,
drin sals König flbel von Dänemark
im blutigen Krönungsgewande. Wilhelm >,isen.
1). „Up ewig ungedeelt.“
A ls im Jahre 1459 Herzog Adolf Viii. ohne Erben starb, wurden von
^ zwei Seiten Ansprüche auf das Herzogtum Schleswig und die Graf-
schaft Holstein erhoben, einerseits von der schauenburgisch-pinneber-
gischen Linie, andrerseits von den Schwestersöhnen Adolfs Viii., den Grafen
von Oldenburg und Delmenhorst, von denen der älteste, König Christian I.
von Dänemark, die drei vereinigten skandinavischen Reiche beherrschte.
Die Schleswiger, heisst es, neigten sich dem dänischen Könige zu, weil
sie fürchteten, er werde, wenn man ihn nicht wähle, ihr Land verheeren.
Aus gleichen Rücksichten waren die Holsteiner mehr für den Grafen
Otto von Schauenburg, der überdies auch von den Hansastädten Lübeck
und Hamburg empfohlen wurde. Aber am meisten war doch allen Landes-
bewohnern daran gelegen, dass die so schwer erkämpfte Vereinigung
Schleswig-Holsteins bewahrt bleibe; sie nahmen sich vor, einträchtiglich
einen Herrn zu wählen. Die Ritterschaft und die Landstände hielten
TM Hauptwörter (50): [T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Erik_von_Dänemark Wilhelm Adolf Adolf Adolfs Adolfs Christian_I.
von_Dänemark Otto_von_Schauenburg Otto
I. Aus der Heimat.
13
mehrfach Beratungen; doch verliefen die ersten Verhandlungen zu Neu-
münster und Rendsburg ohne Ergebnis; darum ward denn eine neue
Zusammenkunft in Lübeck verabredet, wo beide Bewerber sich einstellen
und ihre Ansprüche darlegen sollten. Aber diese Verabredung ist nicht
gehalten worden, denn inzwischen gelang es dem Könige Christian durch
Geld und gute Worte, die einflussreichsten Männer für sich zu gewinnen.
So folgten die Stände des Landes der Einladung Christians nach
Ripen, und hier erwählten sie einträchtig diesen hochgebornen Fürsten zum
Herzoge von Schleswig und Grafen von Holstein, nicht, dass er das Land
besitzen sollte als ein König, sondern nur als ein Herzog und ein Graf,
nicht wegen seines Erbrechts, sondern „aus Gunst zu seiner Person.“
Daher sollte die Herrschaft nicht erblich sein, sondern es blieb den
Ständen für die Zukunft das Recht vorbehalten, unter Christians Nach-
kommen und Erben einen Nachfolger zu wählen. Die Lande Schles-
wig und Holstein aber sollten ewig zusammen bleiben ungeteilt.
Kein Krieg sollte geführt werden, ausser zum Nutzen des Landes und
mit Einwilligung der Stände; die Landeskinder aber sollten nicht ver-
pflichtet sein, dem Könige zum Kriegsdienst über Königsau und Elbe
hinaus zu folgen, sondern sollten im Lande bleiben, es zu beschirmen.
Wenn aber der Herzog einmal ins Land käme, so sollte er keine Diener-
schaft und kein Hofgesinde haben von den Dänen, sondern er sollte hier
deutsche Holstenkinder zum Dienste halten. In seiner Abwesenheit aber
sollte er dem Herzogtum Schleswig einen Regenten bestellen, einen
-deutschen Mann; in dem Lande zu Holstein einen Marschall, auch einen
deutschen Mann. Alle Burgen in Schleswig und Holstein sollte er be-
mannen mit Kindern des Landes und Vögte darüber setzen, treue deutsche
Männer, aber keine Dänen. Bei allen Heiligen schwur der König für
sich und seine Nachkommen, diese Rechte der Lande treu zu bewahren.
Gleich darauf kam der König ins Land und nahm die Huldigung
entgegen. Als die Schauenburger Grafen zur festgesetzten Frist in Lübeck
erschienen, war alles vorüber. Sie schlossen später einen Vertrag mit
dem Könige, in dem sie ihre Erbansprüche gegen eine Geldentschädigung
aufgaben. Am unwilligsten waren die Lübecker über die Wahl; ihr Chro-
nist tadelt die Holsten in scharfen Worten: „Also wurden die Holsten
Dänen, verschmäheten ihren Erbherrn und gaben sich mit gutem Willen
•ohne Schwertschlag unter den König von Dänemark, wogegen ihre Vor-
fahren manches Jahr gewesen waren und es gehindert hatten mit wehr-
hafter Hand. Sie führten manchen Krieg mit den Dänen, wobei ihnen
-die Städte der Hansa mit grossem Volk und grossen Kosten behülflich
waren. Auch war mancher Herr und Fürst und ritterliche Mann in dem
Streite gefallen, weil sie den Dänen nicht Unterthan, sondern frei sein
wollten. Das alles hatten die Holsten zu der Zeit vergessen und gaben
sich freiwillig zu eigen; doch das machte die Gierigkeit der Holsten und
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Extrahierte Personennamen: Christian Christians Christians
■
Deutsches Lesebuch
für neunklassige Mittelschulen.
Auf Grund der Bestimmungen über die Neuordnung
des Mittelschulwesens in Preußen vom 3. Februar 1910
herausgegeben von
Heinrich Vreidenstein,
Mittelschulrektor in Wiesbaden.
Ausgabe für die Provinz Westpreußen.
S-x
Teil Iv für Klasse 2 und 1.
(Achtes und neuntes Schuljahr)
Lsorg-kelcsrt-lnstitul
für internationale Sclu!bucs.forschung
Braunschweig
- Bibliothek-
Frankfurt am Main,
Verlag von Moritz Diesterweg.
1914.
»laz Schnlbischinstitut
Inventarisiert unter
tsbi - Sb —
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Vreidenstein Heinrich Moritz_Diesterweg
127. Der preußisch-deutsche Zollverein.
Karl Biedermann.
Nach dem Aufhören der Kontinentalsperre erfolgte ein massenhaftes
Einströmen englischer Waren nach Deutschland. Das dadurch erzeugte
Bedürfnis eines wirksamen Schuhes der nationalen Industrie veranlaßte
die deutschen Fabrikanten, sich mit einem gemeinsamen Gesuch um Her-
stellung eines solchen Schuhes an den Bundestag zu wenden. Dieser
Schritt blieb ohne Erfolg. Inzwischen hatte die preußische Regierung
für ihre Staaten ein gemäßigtes Schutzzollsystem eingeführt (1818).
Dabei ergab es sich als ein großer Übelstand, daß wegen des Abstandes
der westlichen von den östlichen Provinzen zwei verschiedene Zollgebiete
nötig wurden, was natürlich unverhältnismäßige kosten verursachte.
Die preußische Regierung bot daher alles auf, um durch eine Zolleinigung
mit anderen Staaten diese Lücke auszufüllen. Es gelang ihr, die beiden
Hessen dafür zu gewinnen (1828 und 1831). Gleichzeitig waren andere,
ähnliche Vereine in der Bildung begriffen, ein süddeutscher zwischen
Bayern, Württemberg, den beiden Hohenzollern und der „Mitteldeutsche
Handelsoerein" (Sachsen, Hannover, Braunschweig usw.). Endlich trat
1834 der große „preußisch-deutsche Zollverein" ins Leben, der außer
Preußen, den anhaltinischen Ländern und den beiden Hessen auch Sachsen,
Bayern, Württemberg, die thüringischen Staaten in sich schloß, dem
später auch Nassau, Baden, Frankfurt, Luxemburg, Braunschweig bei-
traten, so daß er im Jahre 1842 ein Gebiet von 8245 Quadratmeilen mit
287s Millionen Einwohnern umfaßte. Die Zollschranken zwischen diesen
Ländern fielen; alle Erzeugnisse des einen Landes (mit alleiniger Aus-
nahme von Bier und Branntwein, für die eine sogenannte „Übergangs-
abgabe" entrichtet werden mußte) gingen zollfrei nach allen andern
Ländeni des Zollvereins. Nach außen bildeten diese verbundenen Länder
ein gemeinsames Zollgebiet. Die von außen in dieses Gebiet eingehenden
Waren wurden da, wo sie eingingen, versteuert und konnten dann frei im
ganzen Zollverein zirkulieren. Die davon erhobenen Zölle flössen in eine
gemeinsame Zollvereinskasse und wurden von dieser aus an die einzelnen
Staaten nach der Vevölkerungszahl verteilt. Damit waren zwei ganz
bedeutende wirtschaftliche Vorteile erreicht: Handelsfreiheit im Innern
und eine einheitliche Handelspolitik nach außen. Der Zollverein war
eine Macht und konnte mit fremden Staaten viel leichter günstige
Handelsverträge abschließen, als dies ein einzelner Staat, selbst Preußen,
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